2012/09/01

Gaga Lex Google Teil II

Mit deutlicher Verspätung (Sorry!) hier nun der zweite Teil. Grund: Es ist fast alles schon gesagt worden, und das habe ich mir erst einmal angesehen. Trotzdem habe ich einige Verweise und ein paar eigene Gedanken zusammengestellt - auf die Gefahr hin, keine Leser zu finden, weil ihr das Wort "LSG" nicht mehr hören könnt.

Wo waren wir stehengeblieben? Bei der Macht von Springer&Co, die die Legislative nach ihren Regeln springen lassen. Die dem Gesetzgeber mit Kreide ein Hüppetick vors Reichtagsgebäude malen, dann den Rest der Kreide fressen und sich als harm- und hilflos präsentieren, um sich anschließend gesetzgeberisch alimentieren zu lassen.

Wie begründen die Presseverleger die Notwendigkeit des neuen Gesetzes?.
http://www.bdzv.de/recht-und-politik/leistungsschutzrecht-verlage/leistungsschutzrecht-fakten/  (Webpräsentation des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger)
"Täglich entstehen in deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Tausende aufwendig produzierte Artikel ..." das ist eine hochgradig subjektive Verzerrung der Realität. Wie wir (fast) alle wissen, wird nur noch wenig recherchiert und selbst geschrieben, sondern häufig Pressemitteilungen wortwörtlich und völlig kritiklos übernommen. Dann lesen wir in einem halben Dutzend Online-Publikationen einen identischen Text. Da sparen die Zeitungen schon länger dran, als es Online-Ausgaben überhaupt gibt. Natürlich merkte früher der Leser in Soltau-Fallingbostel kaum, dass in seiner mühsam recherchierten Regionalzeitung dasselbe stand wie in der mundgeblasenen Ausgabe des Lesers in Katzenbach-Dünnbachtal. Offenbart wird diese Ökonomisierung, wieder einmal, durch das böse Netz. Auf der Usus gewordenen, geschönten, deutlich Partei ergreifenden gleichgeschalteten Berichterstattung, die investigativen Journalismus nicht mehr kennt, will ich in diesem Zusammenhang nicht weiter herumreiten, ich erwähnte dies Problem an anderer Stelle bereits mehrfach.

Welch eine nachlässige, bewusst oder fahrlässig irreführende Berichterstattung üblich geworden ist, zeigen, als Beispiel, die Beiträge zu einen gewissen "Leistungsschutzgesetz". Die Buden Bundesregierung hat etwas ausklamüsert, und wir lesen allenthalben: das Gesetz kommt. Liebe Kollegen: es handelt sich um einen Gesetzesentwurf, der noch Bundesrat und Bundestag passieren muss. Faktisch kein Medium berichtet dies wahrheitsgemäß, vielmehr grassieren mal wieder Panikmache und gezielte Desinformation. Allerdings ist bei dem derzeitigen Zustand der gesetzgebenden Organe zu befürchten, dass auch diesmal wieder abgenickt wird.

Meine Meinung ist: um eine Leistung verkaufen und "schützen" zu können, muss sie erstmal eine Leistung sein. Wer auf der oben verlinkten Seite weiterliest, kann dort weitere nicht oder nicht ganz wahre Behauptungen finden. Die Zeitungsverlage haben das Web nicht verstanden, und wollen auch nicht dazulernen. Sie geifern lediglich nach leicht verdientem Geld. Vor wenigen Tagen noch stand dort übrigens ein lieblos hingeschluderter Text voller sprachlicher/grammatischer Fehler - wahrlich ein Armutszeugnis - aber die meisten sind inzwischen behoben.

Prinzipiell habe ich nichts gegen besseren Urheberrechtsschutz im Netz einzuwenden; aber das geplante Gesetz wird ihn nicht bringen. Wie gleichgültig die Interessen der tatsächlichen Urheber der Bundesregierung sind, zeigt der eine, angepappte Wischi-Waschi-Satz: »Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.« Gründlicher befasst sich mit dem Thema dieser Kommentar. https://netzpolitik.org/2012/kommentar-zum-leistungsschutzrecht-ein-unmogliches-gesetz/

Oftmals widergekäut: der Grundirrtum, dem auch die Regierung erliegt, besteht ja in der fixen Idee, die News-Aggregatoren würden den Verlagen etwas nehmen. Offensichtlich ist es den Herrschaften mit $$-Zeichen in den Augen entgangen, dass es sich um Dienste handelt, für die man normalerweise zahlen müsste. Nicht die Suchmaschine nutzt euren Text, sondern ihr nehmt die Leistung der Suchmaschine in Anspruch. Natürlich schaltet google.com Werbung, sie sind doch nicht die Heilsarmee. Jedem anderen steht es frei, auf seinen eigenen Seiten ebenso Werbung zu zeigen. Wer unfähig oder zu faul ist, Vermarktungsstrategien zu entwickeln, sollte dies nicht anderen anlasten. Wenn ihr eines Tages wegen eurer verheulten Zickigkeit nicht mehr gelistet werdet, guckt ihr ganz schön dumm aus der Wäsche! Die Mehrheit der Webnutzer kann übrigens genug englisch, um sich auch ohne deutsche Online-Zeitungen zu informieren - bei eurer, der Zensur nahekommenden Nachrichtenauswahl und -perspektive (z.B. Lybien, Syrien ...) ist das ohnehin empfehlenswert.

Vielzitiert: "... Nutzer für die eigene Wertschöpfung systematisch auf die verlegerische Leistung zugreifen und diese in einer Weise nutzen, die über das bloße Verlinken weit hinausgeht." Das suggeriert doch, dass das Setzen eines Hyperlinks nach Auffassung von Presseverlegern und nachplappernder Bundesregierung eigentlich auch schon eine Nutzung ist. Welch eine verdrehte Sichtweise! Ich sage meinen Lesern: Gehet hin und leset diese Seite, sie ist so gut, dass ich euch in Frieden ziehen lasse ..." und ihr meint, ich würde davon profitieren? Meine Leser sind nun bei euch, wo soll da mein Nutzen sein?

Zitat n-tv.de: "Die Verlage haben viel mehr von den Google-Diensten als umgekehrt. Google verdient den überwiegenden Teil seines Geldes ohne die Mithilfe von Verlagsinhalten. Das bedeutet, dass die Suchmaschine gut auf sie verzichten könnte." http://www.n-tv.de/technik/Wer-sitzt-am-laengeren-Hebel-article7088651.html
...
Internet: Bundesregierung beschließt Urheberrecht für Verlage im Internet - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/digital/computer/internet-bundesregierung-beschliesst-urheberrecht-fuer-verlage-im-internet_aid_809121.htm

Noch ein Gedanke zum Stichwort "Gratiskultur": Zehntausende stellen wirklich wertvolle, stets aktuelle, meist verläßliche Informationen bewußt kostenlos ins Netz - das ist, was das Web ausmacht. Die "Gratiskultur"-Hasser und -nicht-Versteher sollten sich am Grab des letzten Neandertalers ausheulen gehen.
 
Immerhin, liebe Buden Bundesregierung, eins könnt ihr euch zugute halten: die Einzigartigkeit dieses Gesetzesvorhabens. So etwas gibt es nur im Land der Dichter und Denker. Im Erfinden von Unfug seid ihr wirklich sehr kreativ. Lasst euch die Idee bloß schützen!



Leseempfehlung zum Thema (ungewöhnlicher Beitrag, andere Aspekte, selbst gedacht statt nachgeplappert, das gilt auch für die Leserkommentare): http://www.zeit.de/digital/internet/2012-08/leistungsschutz-kritik
Hier dagegen zum Vergleich ein schwachsinniger Text mit völlig verdrehter Sichtweise http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.leistungsschutzrecht-google-gesetz-schuetzt-verlage-google-gesetz-soll-journalismus-im-internet-schuetzen.574750e1-2a39-44b0-bfe3-39e2a3ed0f02.html